Zum Inhalt springen
August 24, 2010 / der Red.

Nürnberger Gesetzesauslegungen

Diese Schilder sind bei Fachhändlern neuerdings besonders gefragt.

Als letztes bescheidenes Schlupfloch findet sich in den Vollzugshinweisen zum Rauchverbots-Gesetz bekanntlich die Regelung für „geschlossene Gesellschaften“:

Nur im Fall einer echten geschlossenen Gesellschaft, die einen abgetrennten Raum oder die gesamte Gaststätte ausschließlich nutzt und bei der die Öffentlichkeit insoweit räumlich ausgeschlossen ist, greift das gesetzliche Rauchverbot in Gaststätten nicht. Bei echten geschlossenen Gesellschaften ist der Kreis der Teilnehmer in der Regel von vorneherein auf eine meist kleine Zahl feststehender, namentlich geladener Personen begrenzt. Der Zutritt wird grundsätzlich nur diesen, im Vorhinein bestimmten, also nicht beliebig wechselnden Einzelpersonen gewährt. Beispiele sind private Familienfeiern mit persönlicher Einladung, wie Hochzeit, Geburtstag, Taufe oder eine unter solchen engen Voraussetzungen einberufene Vorstandssitzung einer Gesellschaft. Hier werden nur bestimmte Einzelpersonen bewirtet.

Damit können sich sogar die meisten von denen abfinden, die beim Volksentscheid mit Ja abgestimmt haben. Die radikale Nichtrauchersekte Pro Rauchfrei freilich tobt darüber vor Wut und verstieg sich gar zu der Frage: „Sprengen wenige Süchtige unser Rechtssystem?“ Ein Münchener Anwalt wiederum packte der berufliche Ehrgeiz, mit Hilfe einer Normenkontrollklage versuchte er, diese Regelung zu Fall zu bringen. Aber er blitzte damit beim Verwaltungsgerichtshof Bayern ab.

In Nürnberg scheint allerdings noch nicht bis zum Ordnungsamt vorgedrungen zu sein, dass es diese Raucherlaubnis für geschlossene Gesellschaften gibt und dass sie weiter Bestand haben wird. Auf deren Website kann man nämlich folgendes nachlesen:

Wenn in meiner Gaststätte eine geschlossene Gesellschaft (z.B. Geburtstagsfeier oder Hochzeit) stattfindet, darf dann in den Räumen geraucht werden?
Nein, denn das Rauchverbot gilt nicht nur für öffentliche Gaststätten, sondern generell für alle Gaststätten.

Die Nürnberger scheinen den Ehrgeiz zu haben, als Musterknaben bei einer möglichst gnadenlosen Durchsetzung des Rauchverbots aufzufallen – vielleicht weil sie zunächst durch eine vergleichsweise großzügige Ausnahme für die Casa del Habano aufgefallen sind. Die Inhaberin hat beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Klage eingereicht. Bis über diese Klage entschieden ist darf dort weiter geraucht werden. Im Vorfeld des Herbstvolksfests hingegen wurde schon angekündigt, bei uneinsichtigen Rauchern in den Festzelten werde nicht lange gefackelt. Die Polizei werde ihre Personalien aufnehmen und das Ordnungsamt ein Bußgeldverfahren einleiten.

Eine rechtliche Grundlage für das Ordnungsamt, die Vollzugshinweise zum Gesundheitsschutzgesetz einfach nach eigenem Gusto abzuändern, besteht aber natürlich auch in Nürnberg nicht. Handelt es sich bei der falschen Auskunft, die man auf der Website des Ordnungsamts bekommt, um ein Versehen oder um etwas, was man als Abschreckungsmaßnahme mittels Falschinformation bezeichnen könnte? Oder hat man dort vielleicht geglaubt, die juristisch kaum haltbare Einschätzung von Pro Rauchfrei, die kürzlich von den Nürnberger Nachrichten aufgegriffen wurde, sei den Vollzugshinweisen übergeordnet?

Natürlich gibt es in Nürnberg trotzdem Kneipen, die von der Geschlossene-Gesellschaft-Regelung Gebrauch machen. Und daneben gilt selbstverständlich auch heute noch: Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn.

Hinterlasse einen Kommentar